Baha und der
Türkenstreik von Köln *
Dokumentarfilm
* Arbeitstitel


Dokumentarfilmprojekt
Mit Aussagen von Zeitzeugen, nachgespielten Szenen und Musikstücken zeichnet der Dokumentarfilm Baha und der Türkenstreik von Köln den „wilden“ Streik von 12.000 „Gastarbeitern“ 1973 bei Ford in Köln nach. Die Kämpfer und Ihr Sprecher Baha Targün wurden zur Legende, doch die deutsche Justiz rächte sich bitterlich.




Aus dem Tagebuch eines Streikenden

Freıtag, 24.08.1973
Ein türkischer Arbeiter rastet aus: „Jetzt reicht’s!“ Alle anderen in der Y-Halle schließen sich ihm an. Sie formieren einen Zug, der durch das gesamte Ford-Werk zieht und die Spätschicht zum Streik mobilisiert. Der Zug kommt durch alle anderen Hallen: W, G, M, A, FX. Fast alle schließen sich an. Die ersten Verhandlungen vor dem Lohnbüro zwischen der Geschäftsleitung und den Demonstrierenden scheitern. Die Spätschicht wird abgeblasen.

Dıenstag, 28.08.1973
Die Streikenden haben das Werk bestetzt. Neue Verhandlungen scheitern. Die Polizei versucht vergeblich, die Spätschicht am Betreten des Werks zu verhindern. Die Streikenden bleiben auch nachts. Sie schlafen zwischen den Bändern, in Regalen und Schaumstoffmatten, und halten Wache vor den Werkstoren. Im Polsterlager wird gemeinsam gefeiert: „Es wurde diskutiert, abgestimmt, gesungen, gegessen, organisiert, einem Erzähler türkischer Märchen zugehört.“

Donnerstag, 30.08.1973
Der Streik wird gewaltsam niedergeschlagen. Gedeckt von einer Gegendemonstration sogenannter Arbeitswilliger drangen Polizeikräfte auf das Werksgelände vor. Unter den Streikgegnern sind auch Vorarbeiter, Werkschutz, Zivilpolizisten, Ford-Manager und mit Schlagstöcken bewaffnete Streikbrecher aus Belgien. Baha wird zusammengeschlagen und vor der türkischen Botschaft abgelegt. Unmittelbar danach werden gut hundert Beschäftigte, auch Baha, fristlos entlassen.

Montag, 27.08.1973
Wieder ziehen Tausende durch das Werk und wählen ein Komitee mit Baha Targün als Sprecher. Das Streikkomitee trägt ihre Forderungen dem Betriebsrat vor:
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1 DM mehr für alle
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6 Wochen bezahlten Urlaub,
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Rücknahme der 500 Entlassungen
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Bezahlung der Streikschichten
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keine Strafverfolgung der Streikenden
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13. Monatsgehalt
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600 DM netto für die Lehrlinge.

Mıttwoch, 29.08.1973
Geschäftsleitung und Betriebsrat setzten von Anfang an auf Spaltung zwischen Deutschand und Ausländern und haben Erfolg. Es gibt kaum noch Deutsche im Werk, sie bleiben vor den Toren. Am Nachmittag hält der türkische Konsul eine Rede vor dem Lohnbüro. Seine Rede beginnt damit, daß die Türken tapfer und gerecht gekämpft haben, dafür bekommt er Beifall. Als er den Streikenden auffordert, die Arbeit wieder aufzunehmen, wird ausgepfiffen.
Fotos: Gernot Huber

Was wurde aus den Streikenden?
Vom Gastarbeiter zum Nachbarn

Vertreter im Aufsichtsrat
Der „wilde“ Streik wurde zwar brutal niedergeschlagen, doch die Situation der türkischen Belegschaft bei Ford hat sich im positiven Sinne geändert. Mit der Zeit wurden sie zu aktiven Betriebsratsmitgliedern demokratisch gewählt, was vorher nicht möglich war.
Von den knapp 12.000 Menschen, die bei Ford arbeiten, hat ein Drittel türkische Wurzeln. Heute sitzt einer von ihnen im Aufsichtsrat des Unternehmens. Doch das Ford-Werk ist von der Schließung bedroht.

„Krimineller“?
Zwei Jahre nach dem Streik verurteilte der Kölner Richter Viktor de Somoskeoy Baha Targün wegen angeblicher räuberischer Erpressung eines türkischen Unternehmers zu sechs Jahren Haft. Das Urteil wurde von der Presse als skandalös eingestuft. Der gleiche Richter hatte zuvor Beate Klarsfeld ins Gefängnis gesteckt.
Das Bild zeigt Targün vier Jahre später bei seiner Entlassung aus der JVA Remscheid. Da das türkische Militär zu dieser Zeit putschte, stellte Targün einen Asylantrag, der abgelehnt wurde. Er kehrte in die Türkei zurück.

Zeitzeugen noch berührt
Zeitzeugen, wie die Schauspielerin Mischi Steinbrück erzählen heute noch mit Begeisterung von den streikenden Fordarbeiter. „Ich habe aber nicht gejubelt. Ob das für sie gut ausgeht? Das wussten wir einfach nicht.“
Mischi war Mitglied einer Theatergruppe, die u.a. mit einer Willy-Brandt-Maske vor den Streiktoren auftrat. Der Kölner Musiklegende Klaus der Geiger sang ein eigens für die Streikenden komponierter Song: „Eine Mark für alle, auch für dich“.

Baha wurde Bergsteiger
Nach seiner Rückkehr in die Türkei arbeitete Baha Targün zunächst als Touristenführer für deutsche Gäste in Antalya. Später schrieb er Hörspiele für den Rundfunk in Ankara. Kurz darauf wurde er als Drehbuchautor einer sehr populären Sitcom bekannt.
In seinen letzten Jahren war Targün als Bergsteiger aktiv. Er initiierte die Gründung des ersten türkischen Bergsteiger-verbandes. Den Kontakt zu Deutschland, sei es zu Journalisten, Gewerkschaftern oder Historikern, lehnte er kategorisch ab. Im Jahr 2020 starb er bei einem Bergunfall.

73-er Ford Rentnergang
So nennen sich 6-7 Streikenden heute. Sie treffen sich seit einiger Zeit wieder regelmäßig in Köln und organisieren Informationsveranstaltungen über den Ford-Streik von 1973. Einer von Ihnen, Wolfgang Kahmann (2. von links), ist vor kurzem gestorben.
Als Zeitzeugen nehmen Seyfo Kurt und Peter Bach teil in dem Musical „Baha und die wilden Siebziger“, das im Oktober in Köln Premiere feiert.

Eine Mark mehr für alle!
Den Slogan der Streikenden von 1973
als Rap-Song von Eko Fresh

Das Musical
Baha und die wilden Siebziger

Mit 22 Akteur:innen auf der Bühne , Schauspieler:innen, Zeitzeug:innen, einem Frauenchor und Live-Band, bringt das Sanat Ensemble die Geschichte von Baha und den Fordstreik als Musical auf die Bühne in Köln.
Die Premiere findet am 10.10.2025 im COMEDIA Theater statt. Weitere Vorstellungen in Köln und im Hambacher Schloss folgen. 2026 gastiert das Sanat Ensemble u.a. in Berlin, Hamburg, Stuttgart und Nürnberg.
Das Filmteam

Wer weiß heute noch von Baha Targün, dem schwarzhaarigen Cohn-Bendit der Gastarbeiter?

Autor und Regisseur
Nedim Hazar
Das Filmteam

Produzent
Çağdaş Eren Yüksel
Dieses Filmprojekt wurde mit der Stoffentwicklungsförderung der BKM gefördert.
