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Baha und der
Türkenstreik von Köln *

* Arbeitstitel

Filmsynopsis

Als Ende August 1973 rund zehntausend „Gastarbeiter“ bei Ford in Köln spontan – ohne Vorwarnung und ohne Gewerkschaft, „wild“ – gegen Entlassungen streikten, wählten sie Baha Targün zu ihrem Sprecher. Er sprach Deutsch, hatte Charisma und widersprach dem aus der Medienberichterstattung über Gastarbeiter gewohnten Bild des unterwürfigen Türken, der für jede Drecksarbeit dankbar ist. Der Streik bei Ford war der Höhepunkt einer vollkommen unerwarteten Streikwelle. In rund dreißig Betrieben bundesweit legten über hunderttausend Gastarbeiter:innen – häufig mit Frauen an der Spitze – die Arbeit nieder. Sie forderten gleichen Lohn für gleiche Arbeit unter menschenwürdigen Bedingungen und einen Dialog auf Augenhöhe. Die Streikenden bei Ford blieben auch nachts in der Fabrik, schliefen in den Regalen, hielten Wache auf den Fabrikdächern. Das Werk stand still. Geschäftsleitung und Betriebsrat von Ford Köln setzten auf Spaltung und hatten Erfolg. Nach vier zermürbenden Tagen wurde der Streik gewaltsam niedergeschlagen. Gedeckt von einer Gegendemonstration sogenannter Arbeitswilliger drangen Polizeikräfte auf das Werksgelände vor. Unter den Streikgegnern befanden sich Vorarbeiter, Werkschutz, Zivilpolizisten, Ford-Manager und mit Schlagstöcken bewaffnete Streikbrecher aus Belgien. Baha wurde zusammengeschlagen und vor der türkischen Botschaft abgelegt. Unmittelbar danach wurden gut hundert Beschäftigte, auch Baha, fristlos entlassen.


Targün wurde jedoch nicht, wie erwartet, sofort aus Deutschland abgeschoben. Aber 18 Monate nach dem Ford-Streik wurde er wegen angeblicher „räuberischer Erpressung“ und „gefährlicher Körperverletzung“ eines türkischen Geschäftsmannes angeklagt. Juristen und Journalisten äußerten erhebliche Zweifel an der Anklage und der Beweisführung. Ein Jahr zuvor hatte derselbe Richter Beate Klarsfeld, die Kiesinger geohrfeigt und andere Nazifunktionäre gejagt hatte, zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Damals sang das zahlreiche Publikum im Kölner Gerichtssaal noch empört die Marseillaise. Als Baha Targün verurteilt wurde, war der Saal nur spärlich gefüllt. Er wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt. Vier Jahre davon verbrachte er allein in den Gefängnissen Köln-Ossendorf und Remscheid. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Nach seiner Entlassung 1979 wurde Targün in die Türkei abgeschoben.


Dort stellte er seine politische Tätigkeit ein. Bis Ende der 1990er-Jahre arbeitete als Drehbuchautor für Telenovelas im türkischen Fernsehen. Außerdem wurde er ein passionierter Bergsteiger. Zu Lebzeiten lehnte Baha Targün alle Kontaktversuche im Zusammenhang mit Ford, Streik und Köln kategorisch ab. Er wies ehemalige Genoss:innen ab. Telefonanrufe blieben unbeantwortet. Bahas Nichte Pelin Yeşilçimen in Istanbul berichtet von Wutausbrüchen ihres Onkels, allein wenn das Thema Deutschland aufkam. Er starb 2020 nach einem Kletterunfall im Hinterland der Schwarzmeerküste. Wer weiß heute noch von Baha Targün, dem schwarzhaarigen Cohn-Bendit der Gastarbeiter? 1973 kannten ihn 92 % der Deutschen, wie eine damalige Umfrage des Allensbacher Instituts ergab. Heute weisen Migrationsforscher:innen auf ein Vakuum in der Geschichtsschreibung der türkischen Community hin. Für die Politikerin Serap Güler (MdB) würde es schon reichen, die Bedeutung der türkischen Gastarbeiter für das Wirtschaftswunder zu würdigen, „das würden auch deren Nachkommen als Auszeichnung verstehen“. Doch in der unglaublichen Geschichte von Baha Targün und seinem Einsatz für die Würde und Rechte seiner Landsleute und Kollegen steckt noch viel mehr für die Kinder der Gastarbeiter:innen, deren Kindeskinder, aber auch für die nachgeborenen „Bio-Deutschen“.


Natürlich sollen die wenigen noch lebenden Zeitzeugen in diesem Dokumentarspiel endlich zu Wort kommen. Aber wir wollen auch die Herzen unserer Zuschauer erobern. Zum einen mit nachgespielten Szenen, von denen es keine Archivbilder gibt, zum anderen mit Musik, mit neu komponierten Songs – auch von namhaften Künstlern. So können wir auch die emotionale Ebene des Streiks vermitteln und den sogenannten „Tanz auf dem Rücken des Tigers“ in der Polsterhalle von Ford musikalisch nachstellen. Einer der wenigen deutschen Beteiligten beschrieb die legendären Nächte, wo sich die Streikenden abends auf den zum Einbau bereitstehenden Autositzen versammelten, so: „Es wurde diskutiert, abgestimmt, gesungen, musiziert, gebetet, getanzt, gemeinsam gegessen, organisiert, und sogar einem türkischen Märchenerzähler zugehört“.

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